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Papst Franziskus reformiert die Kirche von Oben

Papst Franziskus

Papst Franziskus | Casa Rosada – Wikimedia Commons

In einem Interview, das Papst Franziskus der jesuitischen Zeitschrift „La Civiltà Cattolica“ gab, öffnet er den Diskurs der katholischen Kirche und verschiebt massiv ihre innere Tektonik. Das Gespräch, das weltweit gleichzeitig in 16 jesuitischen Zeitschriften veröffentlicht wurde, nachdem Papst und Vatikan es abgesegnet hatten, stellt eine Revolution im kirchlichen Denken und im Umgang mit heiklen Themen dar.

Nach 35 Jahren einer moralbetonten und hierarchischen Machtpolitik unter seinen Vorgängern Johannes Paul II und Benedikt XIV forciert Franziskus nun einen neuen Diskurs und ein neues Selbstbewusstsein in der Kirche, womit er die konservativen Christen, Amtsträger und auch Politiker eindeutig herausfordert.

Vor Kurzem hatte sich schon der neue Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin offen gegenüber einer Lockerung des Zölibats für Priester gezeigt und dadurch auch die Diskussion des Themas unter deutschen Bischöfen erneut angeregt. Im nun veröffentlichten Interview geht sein Vorgesetzter jedoch weit über bisherige Äußerungen hinaus und deutet eine Öffnung der Kirche in vielen Kernthemen an.

So bestätigt Franziskus seine tolerante Haltung gegenüber Schwulen und Lesben, die er bereits mit seinen Worten “Wer bin ich, dass ich urteile?” nach dem Weltjugendtag Ende Juli deutlich gemacht hatte. Ausdrücklich stellte er jetzt klar, dass er sich mit seiner Toleranz nicht nur auf katholische Priester bezog, wie im Anschluss gemutmaßt worden war, sondern auf alle Homosexuellen.

Auch gegenüber Frauen, die abgetrieben haben und Geschieden-Wiederverheirateten zeigt der neue Papst im Gespräch eine tolerante und akzeptierende Haltung und äußert so eine diametral andere Meinung, als seine beiden Vorgänger. Diese hatten alle drei Gruppierungen auch mittels des kirchlichen Machtapparats ausgegrenzt und stigmatisiert.

Von einer solchen “Obsession” der Kirche mit Themen wie Homosexualität, Abtreibung und Geburtenkontrolle grenzt sich Franziskus wiederum bewusst ab, weshalb er sich bisher über diese Themen ausschwieg – zum Ärger konservativer Geistlicher. Statt dessen will der neue Papst den Dienst an den Armen und Ausgegrenzten wieder vor moralische Dogmen stellen, die seiner Meinung nach in der Vergangenheit zu sehr betont worden waren.

Dabei will er offenbar den Handelnden vor Ort verstärkt selbst überlassen, wie sie mit solch kontroversen Fragen im Sinne der Botschaft des Evangeliums umgehen wollen. Auch das ist eine radikale Umkehr gegenüber der bisherigen Einforderung von Linientreue und Gehorsam von Priestern und Bischöfen seitens der Kirchenleitung. Genau diese Disziplinierung von Rom aus kritisiert Franziskus im Interview: „Die römischen Dikasterien (Kongregationen, Räte und die anderen Ämter) stehen im Dienst des Papstes und der Bischöfe. Sie müssen den Ortskirchen helfen oder den Bischofskonferenzen. Es sind Einrichtungen des Dienstes. In Einzelfällen, wenn man sie nicht richtig versteht, laufen sie Gefahr, Zensurstellen zu werden.” Eine solche Rückbesinnung der kirchlichen Institutionen auf den Dienst war auch von prominenten Kirchenkritikern wie Hans Küng immer wieder gefordert worden.

Das wohl größte Veränderungspotenzial bergen Franziskus‘ Äußerungen über die Rolle der Frau in der Kirche, auch wenn sie wahrscheinlich am schwersten umzusetzen sind. So fordert er mehr Raum für die “einschneidende weibliche Präsenz in der Kirche”, die Kirche könne nicht sie selbst sein ohne die Rolle der Frau. Mittels einer Theologie der Frau solle man über die Funktion der Frau im Innern der Kirche nachdenken. “Der weibliche Genius ist nötig an den Stellen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden. Die Herausforderung heute ist: reflektieren über den spezifischen Platz der Frau gerade auch dort, wo in den verschiedenen Bereichen der Kirche Autorität ausgeübt wird.“

Mit seinen Interviewäußerungen deutet Papst Franziskus nicht weniger als eine Aushebelung des römischen Macht- und Kontrollsystems von Oben an. Durch sein Vorbild als jemand, der Kontroverses toleriert und im Zweifel Akzeptanz über kirchliche Dogmen setzt, öffnet er den innerkirchlichen Diskurs nun explizit für offene Diskussionen und Praktiken jenseits der offiziellen Linie. Er führt die Kirche so wieder mehr in Richtung ihrer eigentlichen Botschaft von Toleranz, Nächstenliebe und Seelsorge. Konservative werden in Zukunft eigene Argumente finden müssen, um ihre Positionen zu begründen – auf den Papst können sie sich nun nicht mehr so leicht berufen.

Es wird spannend zu beobachten sein, inwieweit Franziskus die geforderte Toleranz und Inklusion innerhalb der Amtskirche kirchenpolitisch und institutionell durchsetzen kann. Die Unterstützung liberaler Christen und Amtsträger, die sich unter den letzten beiden Päpsten kaum Gehör fanden, ist ihm dabei ebenso gewiss, wie der Gegenwind durch konservative Kirchenvertreter.

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